CHINA

16/7/2o18
21/7/2o18

DER WAHNSINN KANN BEGINNEN

mit dem eigenen auto und auf eigene faust durch china zu fahren ist unmöglich. deswegen haben wir uns entschieden, mit hilfe einer reiseagentur in vier bis fünf tagen (jeder weitere tag ist mit unverhältnismäßig hohen kosten verbunden) die chinesische region xingjiang zu durchqueren, um in kirgistan ausgespuckt zu werden. unsere gruppe besteht aus drei motorrädern und unserem bus. hierfür bekommen wir einen guide an die seite gestellt, der bzw. die sich um papierkram und alles weitere kümmert. wir legen dafür schlappe 1600 euro hin, aber wer ko der ko, sagt man in bayern.
anders ist china mit eigenem fahrzeug nicht machbar.
langsam krächzt unser guter bus den pakistanischen karakorum highway richtung kunjerab pass entlang. er kämpft, er raucht, wir halten. er kämpft, er raucht, wir halten. er kämpft …juhuu wir sind da.
auf den dächern der welt, auf 4693 metern über dem meeresspiegel, verabschieden wir uns an der höchsten grenze der welt von pakistan und geben uns dem wahnsinn chinas hin.
kontrolle steht hier an erste stelle. junge, unsichere grenzsoldaten röntgen die fahrzeuge, scannen und erfassen unsere körper, taschen werden geöffnet, geleert und untersucht. stunden dauert die prozedur. während luk kraftvoll wie eh und je umherrast, greift die höhenkrankheit nach den ersten in unserer gruppe. beutelt sie mit müdigkeit, umschleiert sie mit schwindel und bohrt die übelkeit in ihre mägen.
umso erleichternder ist die abfahrt durch die naturbelassene, durch und durch prächtige grüne landschaft richtung tashkurgan. zwischen uns und dem horizont erleben wir die schönste natur. hier und da blitzt eine einsame helle jurte aus dem gras und propere, flauschige murmeltiere flitzen nahe der fahrbahn von einem punkt zum nächsten.
angekommen, erwartet uns aufgeregt lilli. sie wird uns begleiten. es folgt eine desinfektion plus check der fahrzeuge. mit gepackten taschen fürs hotel donnert man uns den offiziellen stempel in den pass.
willkommen in china!
noch kurz legen wir eine filmreife taxtifahrt hin, mit polizei inklusive einem verbrecherfoto vor dem auto. alles, weil wir luk auf dem schoss haben. weiter geht es zum hotel.
das warme bier und der pot instantnudelsuppe beruhigen ungemein und so sinken wir wie gott in china in die superbequemen hotelbetten.
sollte der spass der vorangegangen nacht kein ende haben, überrascht der chinesische bürokratieclown gleich am nächsten morgen wieder.
die fahrzeuge werden gewogen und einer untersuchung unterzogen, aber nicht einfach irgendwie. eine genaue reihenfolge gilt es zu beachten. der eine schiebt sein motorrad auf die waage, der nächste darf es fahren, oh nein falsche reihenfolge, alles von vorne.
nach ausgedehnten lektionen der geduld, rauscht lilli um die ecke mit dem ok, wir können weiterreisen.
kashgar, der weg dorthin ist atemberaubend und einzigartig schön. aufatmende, endlose täler, immense sanddünen, türkise seen, sich schlängelnde flüsse durch grasebenen und strotzige gebirgsketten mit schneehaube in einem fort. berauscht, von dem was das naturreich da zu stande bringt, kehren wir gegen abend ins gefühlt größte hotel der stadt ein. das hohe haus, umhüllt von knalligen lichterketten, bietet eine grandiose aussicht auf die symmetrisch angeordneten, klotzartigen bauten.
das herzstück ist die hinreißende altstadt, blitzende blumenköpfe in lila und poppigem orange zieren fussgängerwege und hauseingänge, ladenbesitzer relaxen vor ihren türen. ältere herren schnacken und lachen in traditionellen teestuben. kinder springen trepp auf, trepp ab und ein großvater schiebt liebevoll die enkel im holzwagen spazieren.
es ist warm, schaschlikduft zieht durch die gassen. ein kaltes bier kühlt unsere kehlen. in einer einfachen strassenküche geniessen wir zusammen mit unseren belgischen und französischen mitreisenden die entspannte zeit.
würde man nicht wissen, dass die einwohner einer kompletten überwachung unterliegen, dass sie  nur durch scanmaschinen und passkontrollen ins nächste stadtviertel dürfen, wäre das hier ein kleines paradies.
am nächsten morgen wartet wie versprochen der bürokratieclown. heute auf dem plan, tanken. deckungsgleich deutscher tankstellen gibt es in china zusätzlich  am ein- und ausgang große, rollende panzerschranken, die von damen in stahlhelmen bewacht werden. das öffnen und schließen der schranken fällt auch in ihren zuständigkeitsbereich.
bereits auf der strasse reiht man sich in die wartende schlange ein, blockiert damit den verkehrsfluss und übt geduld, bis man an der reihe ist. sobald die identitätskarte von lilli geprüft ist, schiebt die dame den eingang auf, lässt uns passieren und schiebt ihn hinter uns zu. trotz vier tankksäulen darf nur ein fahrzeug bedient werden. eine andere dame mit stahlhelm kommt herbei, um den tank zu füllen. bei dem versuch kurz auszusteigen, entgegnen uns ängstlich verzerrte blicke, die „sofort einsteigen“ schreien. paul zahlt aus dem auto heraus und schnell werden wir durch das ausgangstor gelotst, schliesslich wartet am eingangstor geduldig der nächste.
es ist der letzte tag in china, mit eingeplantem grenzübergang nach zentral asien. china beschenkt uns immer wieder mit einem grandiosen naturschauspiel. bäche und flüsse graben sich durch die hügellandschaft. hier und da spitzen die berge schroff in den strahlenden himmel. der blick schweift über die hügel. das auge ist nimmersatt von diesem anblick.
30 km vor der grenze tanken wir alle, um die letzten chinesischen yuan im land zu lassen. es handelt sich um eine tankstelle mit liassez-fairen touch. beim aussteigen beschwert sich keiner und die sonst so verlässliche dame mit stahlhelm sitzt gemütlich eingesunken in ihren stuhl neben ihrem offenen tor.
paul zündet den motor, will losfahren und ich sehe, wie vorne aus dem motoraum diesel ungebändigt in alle himmelsrichtungen spritzt. ich rufe paul, gestikuliere und ahne übles.
die dame mit helm hüpft aus ihrem sitz. jetzt ist zeit für aktionen. schnell verscheucht sie uns vom grund der tankstelle und kippt aufgeregt sägespänne auf den dieselverseuchten boden.
unsere helden des tages, mickael und johann, fixen provisorisch aber effektiv mit kompositkleber, einem alten motorradschlauch und kabelbindern den dieselfilter, so dass wir um mitternacht die abgeschottete und inzwischen geschlossene grenze erreichen.
lilli redet eifrig und erfolgreich auf die zollbeamten ein, um die grenze kurz für uns zu öffnen. das visum wird ausgestempelt. beim erneuten starten des autos platzt das provisorium. der diesel spritzt heraus. die jungen zöllner fordern uns auf, den bus ins ein kilometer lange niemandsland zwischen china und kirgistan zu schieben. schnell wird klar, die aktion ist sinnfrei und vor allem riskant. mit vereinten kräften schieben wir das auto zurück in die republik china und sind für die nacht sozusagen illegal im land.
lilli ist der schreck wirklich ins gesicht geschrieben, doch unaufhaltsam organisiert sie für unsere gruppe einen schlafplatz. wir zaubern ein notdürftiges essen und schaffen es sogar, die situation mit humor zu nehmen.
der nächste morgen zeigt, wie unmöglich es ist, einen abschleppdienst an die grenze zu organisieren, geschweige denn einen, dem es erlaubt ist, die grenze zu passieren. so hieven mehrere männer den wagen auf einen tieflader mit steiler rampe, der ihn verlässlich 500 meter ins niemandsland fährt. hier ist die fahrt für den chinesischen fahrer zu ende, weiter darf er nicht.
mitten in einer kurve, am abhang, wird der bus abgeladen und fällt beinahe vom laster.
mit tränen in den augen und brachliegenden nerven, können wir nicht fassen, was mit unserem rollenden zu hause in diesem moment passiert.
wir sind nun opfer dieses bürokratiemonsters, das mit seinen regelungsklauen alle menschlichkeit und hilfsbereitschaft zerquetscht.
mit unserer zusammengewürfelten kraft schaffen wir es, den bus die letzten 500 meter zur kirgisischen grenze zu schieben.
der zöllner guckt aus seinem häuschen, begrüßt uns freundlich auf russisch und hilft sofort beim abschleppen.
zusammen mit charlotte, violaine, mickael, johann und thomas sitzen wir mit gefüllten kaffeetassen auf den breiten treppen des zollgebäudes. die sonne scheint uns ins gesicht und die mission china ist erfüllt.
china ist absolut sehenswert, vergiss alles, was dir über dieses land gesagt wird und rechne stets mit unerwartetem.

sicher ist, eines tages kommen wir wieder.