PAKISTAN NORD

29/o6/2o18
16/o7/2o18

EINE UNERWARTETE LIEBE

Indien weint als wir es verlassen. An der Grenze setzen monsunartige Schauer ein. Die Grenzbeamten erinnern sich an uns und die Abfertigung geht zügig. Zwischenzeitlich spielt Luk vergnügt mit einem anderen Jungen im strömenden Regen.
Nach sechs Monaten indischem Boden sind wir zurück in Pakistan. 
Paul atmet spürbar auf. 

Der Verkehr
Der Verkehr bleibt nach wie vor ziemlich unkoordiniert, doch weniger verrückt. Fahrer blinken beim abbiegen. Seitenspiegel sind ausgeklappt und werden sogar beim Spurwechsel in Einsatz gebracht. 
Das allerwichtigste, es wird sich nicht in jede noch so kleine Lücke gedrängt, wie im Nachbarland Indien. Welches den Verkehr zum erliegen bringt. Auch das Hupen nimmt deutlich ab.

Islamabad und das pakistanische Märchenkleid
Wir müssen schnell nach Islamabad. vom Innenministerium brauchen wir die Erlaubnis in den Norden reisen zu dürfen. In zwei Wochen beginnt unsere gebuchte Tour durch China. 
In der Zwischenzeit finden wir das Hostel von Harris. Mit ihm und seinen Freunden wohnt man in familiärer gemütlicher Atmosphäre, was uns sehr angenehm ist. Hier lernen wir auch Anna und Tim kennen, zwei Tramper, mit denen wir noch einiges erleben.
Als wir abends alle zusammen Chai trinken gehen, erzählen wir von dem noch bestehenden Wunsch und der misslungenen Umsetzung, unseren Bus beim letzten Pakistan Besuch, verzieren zu lassen. 
Kein Problem, der vernetzte Harris schafft Abhilfe und so stehen wir am nächsten tag mitten im Truck Art Viertel.
Kleine bunte Klebefitzel und reflektierende Farbstreifen zieren den staubigen Erdboden, dicke Pinsel tauchen in großen Farbtöpfen. Männer schneiden mit rascher Hand feine Elemente aus knalligen Folien und fügen sie zu einzigartigen Mustern und wundervollen Figuren zusammen. Kunst am Lastwagen ist tief verankert in der ihrer Kultur.
24 stunden später ist unser neuer Reisebegleiter im pakistanischen Märchenkleid bereit. farbenfroh glänzt und glitzert er. Ab jetzt werden wir überall auffallen.
Die Erlaubnis für den Norden ist ausgestellt.  Los gehts mit Anna und Tim auf der Hinterbank.

Die höchsten Berge der Welt und die jaulende Kupplungsscheibe
Während das flache Islamabad sich hinter uns minimiert, bricht der Boden vor uns auf. Kantige Gebilde wachsen zu großartigen Bergformationen, an den wir uns linienförmig hinauf und hinunter schlängeln. ab 3000 Metern wird die Luft dünn und die Lungen unseres Wagens schwächer, tapfer müht er sich die Wege entlang.
Während es in den Tälern grünt und die Hitze schwingt, legt sich Schnee und Eis, leise und weiss, auf den Gipfeln nieder. 
Die Landschaft erinnert ein bisschen an die Schweiz und manchmal ein wenig an die kargen Berge des westlichen Irans. 
Wir erreichen Naran. Die erste größere Stadt. Sie gleicht einem überdimensionalen, unsystematischem Zeltlager im hellen Beige. Gewachsen in der Senke ihrer Anhöhen. Hier schlagen wir unser Nachtlager auf und fallen bald müde in die Betten.
Mit Sonnenschein starten wir weiter Richtung chinesische Grenze. Weit kommen wir nicht. Fünf Minuten später, hören wir ein jaulendes Geräusch aus dem Auto. Der Motor heult beim Gas geben aber die Räder drehen sich nicht mehr. Paul blickt ratlos unter die Motorhaube. 
Ein ankommender Busfahrer, springt aus seinem Gefährt, um Hilfe zu leisten. Er startet unseren Bus und tritt aufs Gas. Paul fragt nach dem Problem. Er lächelt und antwortet big problem. Er faselt etwas von clutch pad is broken. Die Kupplungsscheibe ist kaputt!
Er schleppt uns zur örtlichen Werkstatt ab. Diese besteht aus einem Wellblechverschlag, einer Drehbank und herumliegenden Schraubenschlüsseln. Normalerweise werden hier britische Jeeps von 1947 repariert. 
Die fünf freundlichen Mechaniker haben noch nie einen Fiat Ducato gesehen. Sie begutachten unseren Wagen. Sie diskutieren und teilen auf Urdu beziehungsweise schlechtem Englisch mit, dass sie uns leider nicht helfen können. 
Das Auto muss ins 300 Kilometer entfernte Islamabad abgeschleppt werden.
der Moment des Horrors tritt ein. Wir stehen auf 2500 Metern in den Bergen. In genau sechs Tagen müssen wir an der chinesischen Grenze sein, wo wir eine Tour von fast 2000 euro gebucht und bereits bezahlt haben. 
Wir haben keine Alternative. Keine Visa für angrenzende Länder wie Indien, den Iran oder Afghanistan. Unser pakistanisches Visum läuft bald aus.
Scheiße, was machen wir! Paul kommen die Tränen, wahre Verzweiflung donnert ihm in Gesicht.
Als die Mechaniker das mitbekommen rennen sie aufgeregt durcheinander. Ein Mann mit besseren Englisch eilt herbei. wir sollen uns keine Sorgen machen sagt er.
Sie werden das Auto irgendwie reparieren. Sie überlegen sich etwas.
Morgen können wir weiterfahren.
Die Garagisten lassen alle anderen Arbeiten ruhen und bauen das komplette Getriebe aus. Unzählige Kleinteile liegen verstreut am Boden. Bis in die Nacht hinein werkeln sie, bewaffnet mit kleinen Feuerzeuglämpchen die ihnen nötige Sicht verschaffen. Eine Kupplungsscheibe eines Lastwagens wird mit Flex und Feile in Form gebracht.  
Am nächsten Tag sind sie fertig. Das auto schnurrt. Diese Superheros haben ein wahres Wunder vollbracht. 
Sie weigern sich Geld anzunehmen. Wir sind Pakistani und helfen gerne, sagen sie. 
Wir weigern uns zu fahren, ehe wir nicht bezahlen, sagen wir.  
Auf knapp 100 Dollar einigen wir uns, mehr wollen sie nicht annehmen.
Volle Fahrt Voraus.

Der Karakorum Richtung China
Ab jetzt dringen wir tiefer hinein in den Karakorum, das höchste Gebirge der Welt. Die Bergschöße gebären wahnsinns Schluchten mit tosenden Wassermassen. Die Baumgrenze schneidet das buschige Grün horizontal von den schiefergrauen Bergplatten. Diese wahrhaftig, in den Himmel stechenden Steinkolosse piksen die wolligen Wolken. 
Alles ist riesig, gar gigantisch. Nichts kann dich vorbereiten auf den Anblick von so hohen und so weiten Gebirgslandschaften.
Wirken wir winzig und verloren in ihrem Schatten und im nächsten Moment behütet und geschützt vom Mauerwerk des Mammuts. 
In der Hunzaregion passieren wir den matttürkisen Attabad See. Entstanden durch einen Bergsturz vor viele Jahren, war er lediglich überquerbar, von einem Ufer zum anderen, mit rudimentären Holzbooten. Schafft der relativ neu gebaute Tunnel mit seiner Verbindung Abhilfe.
Vor ihm halten wir auf ein Foto. Zwei schwarzbekleidete Männer mit Maschinengewehren um die Brust winken aus ihrem Häuschen an Hang. Polizei? Schüchtern winken wir zurück. Ist das eventuell Geleitschutz für Reisende. 
Nein, es ist die Einladungen auf eine Tasse heissen Schwarztee mit Milch. Besuch ist hier selten, alle rasen nur durch den Tunnel. Wir nehmen dankend das Angebot an. Alles andere wäre unhöflich. Gemeinsam lassen wir uns den leckeren Trunk schmecken. Die beiden begucken neugierig, interessiert unsere Inneneinrichtung und ihre Blicke wandern stolz und erfüllt über die pakistanischen Sticker auf der Karosserie. Wir verabschieden uns steigen ins Auto.
Zufällige unkomplizierte Aufeinandertreffen dieser Art ziehen sich wie ein roter Faden durch das Land und untermalen herzliche Gastfreundlichkeit. 
Platzieren wir diese Szene auf eine Bergstrasse in Deutschland. Man steigt aus um ein Foto zu knipsen. Ein Wachtmeister winkt freundlich, lächelnd. In seinem rechten Arm eine Thermoskanne mit heißem Kaffee und seiner linken Hand zwei Klappstühle. Hahaha Fortsetzung……undenkbar.

Letztes Durchatmen
Gegen Nachmittag stoßen wir auf einen pittoresken, uneinsichtigen Platz in mitten eines Talbettes mit flacher Wasserstelle. Zeit zum baden, erfrischen, Spielzeugboot fahren und Staudamm bauen. 
Letzte vogelfreie Tage in diesem außergewöhnlichen Naturreich, zusammen mit Anna, Tim und den anderen aus unserer China Gruppe. Wir lachen, relaxen und lesen. Abends sitzen wir am Lagerfeuer und uns übermannt die weite des fantastischen Sternenhimmels mit seinen brillierenden unzähligen Glitzerpunkten und der leicht leuchtenden Milchstrasse. 
Sechs Uhr früh, der Wecker klingelt. Wir sind bereit. Der Kunjerab Pass auf fast fünftausend Metern wartet um uns ins nächste Land zu führen. 

Dich kennengelernt zu haben, hat den schwarzen Fleck auf der Landkarte farbig gefüllt und die große Unwissenheit über dich ist verflogen.