80 kilometer vor lahore verabschiedet sich die eskorte winkend, setzt zum u-turn an und ist weg.
wie verlorengegangene kinder stehen wir am strassenrand. keiner da, der uns den weg weist oder unseren schlafplatz aussucht.
ein seltsames gefühl.
circa 800 kilometer hatten wir geleitschutz, 24 stunden pro tag, mit bis zu vier bewaffneten männern, genannt levies, meist in einem toyota pick-up unterwegs. jetzt sind sie weg.
bevor wir nach pakistan fahren, hören wir hier und da nervenaufreibende, trotzige geschichten über das eskortieren durch den prekären teil von belutschistan. es stimmt, es zehrt, so nah an afghanistan zu fahren, die autobahn im gegenverkehr entlang zu brausen, sich gefühlte tausendmal in altmodische, dicke bücher einzutragen, nicht endend wollende geleitschutzwechsel über sich ergehen zu lassen und im darauffolgenden moment die strasse entlangzuschleichen, trotz absolut leerer fahrbahn. aber so ist es nun mal, punkt.
diskussionen werden die route nicht verkürzen und die bewaffneten schutzmänner nicht auflösen.
mag man zur kenntnis nehmen, es ist absolut kostenfrei, es nimmt maximal acht tage deiner reise in anspruch und es sind menschen, die für dich ihr leben riskieren. dort zu reisen ist deine eigene entscheidung. so what!
luk ist der erste von uns, der pakistanischen boden betritt. zusammen mit einem schwer bewaffneten grenzsoldaten im camouflage look spaziert er hand in hand.
kurz darauf entledigen wir frauen uns des leidigen kopftuchs. mit einem lachen in unseren westlichen gesichtern folgt das gefühl der zurückgewonnenen freiheit und die erste brise weht durchs haar.
tagelang fahren wir durch karge, wüstenartige landschaften. staub bedeckt den boden, trockenheit durchzieht das land, aber der himmel strahlt kraftvoll tiefblau. ist die natur durchzogen vom tristen charme, kracht alle kilometer ein prachtvoll farbenreicher und mit hingabe geschmückter lastwagen vorbei. ein feuerwerk fürs auge, so wunderschön sind die wägen hier.
am silvestertag erreichen wir quetta. heute wird gefeiert. ein absolut grandioser geheimdienst organisiert eine prächtige keule für den grill, bier und alles, was das herz begehrt. es wird mit kind, kegel und maschinengewehr ums lagerfeuer getanzt. freudige gesichter erstrahlen im glanz des lodernden lichtes. das neujahr krönt man mit einer torte der freundschaft, welche wir als geschenk erhalten. um solch surreales zu erleben muss man wohl nach pakistan.
tags darauf werden nur wir frauen von einer jungen studentin in ihr familienhaus zum abendessen eingeladen. sitzend auf flauschigen, orientalisch gemusterten teppichen genießen wir traditionelle küche und den leckersten grüntee seit langem.
die beidseitige, raumfüllende neugier stillen wir mit buntgemischten fragen und bekommen interessante, aber auch für unsere westliche blickweise manchmal unverständliche antworten. zum beispiel erklärt man uns, bei sehr traditionellen familien dürfen frauen nur mit männern in kontakt treten, die in der familie bekannt sind.
allem voraus spüren wir aber die tiefe sehnsucht der menschen, den allgemein negativen ruf pakistans von sich zu schütteln.
nach entlassung der eskorte ziehen wir ausgeschlafen nordwärts durch den eigenwilligen pakistanischen verkehr, mit dem ziel, die rothas festung von 1541 zu sehen. der gigant an festung wurde von sher shar in auftrag gegeben. zwölf massive tore gewähren einlass in die 70 hektar große anlage. auf ihren kolossalen, mit schießscharten punktierten, geschwungenen mauern patrouillierten sogar elefanten. ein meisterwerk islamisch militärischer architektur.
luk faszinieren die scharten und deren funktion, während wir die mauer entlangwandern. zum schutz VOR räuber, erklärt paul. seit diesem moment stehen räuber und die auseinandersetzung von gut und böse hoch in seinem phantasievollen spielkurs.
volle fahrt voraus bringt uns der nagelneue highway der modernen neuen hauptstadt islamabad mit seiner berühmten faisalmoschee näher. die metropole liegt gleich neben der traditionellen alten hauptstadt rawalpindi.
Breite, geradlinige, aufatmende alleen, feinst angelegte parks und hübsche villen lösen verwinkelte gassen, geschäftiges treiben und schwer, dampfender smog als neuer regierungssitz ab.
das bild ist durchzogen von männern, in ihren salwar kamiz, zu englisch punjabi suit. die salwar, die pluderhose wird zur kamiz, dem knielangen geknöpften hemd mit seitlichen schlitzen, getragen. dazu sieht man oft coole, weisse, hohe turnschuhe, die sich absolut sehen lassen können, offene schlappen oder gedeckte ledertreter.
in rawalpindi wollen wir unseren bus pakistanisch dekorieren lassen. bunt, kraftvoll und auffällig. nach zwei tagen erfolgloser suche, mitten im gewusel und allen sich nur vorstellbaren düften und gerüchen, geben wir auf und machen uns auf den weg zur indischen grenze.
in lahore, einer energiegeladenen chaotischen großstadt, finden wir eine oase der ruhe. vater john öffnet uns die tore seiner kathedrale. morgens ziehen mehr als 50 adler andächtig ihre kreise. erhaben und konzentriert schweben die könige der lüfte, weit weg von all der hektik.
wir haben indien fast erreicht, aber vorher bestaunen wir noch das spektakel der täglichen grenzschließung. die wagha border ist die einzige für ausländer passierbare grenze zwischen ländern, die sich seit generationen spinnefeind sind. es IST nicht irgendeine grenze. es ist eine ganz besondere. große tribünen zieren beide länderseiten an der demarkationslinie. tausende besucher finden täglich platz, um ihren seiten zu huldigen. auf bizarre art und weise zelebriert man die traurige feindschaft. angestachelt durch anpeitscher, grölt die masse die namen und die großartigkeit ihrer länder:
p a k i s t a n – p a k i s t a n
im wechsel mit
h i n d u s t a n – h i n d u s t a n schallt es einem ins ohr. im stechschritt marschieren und zeigen die perfekt uniformierten soldaten ihre zackige durchchoreografierte show. beginnend und final, schütteln sich die erzfeinde die hände, einer der schönsten momente. leider geht diese geste beim ekstatischen zuschauer völlig unter.
was sie nicht wissen, diese beiden länder verbindet so viel mehr als sie trennt.
in pakistan zu stehen und nach indien zu gucken ist ein massiv überwältigendes gefühl. die emotionen springen wild durcheinander. freude, euphorie, müdigkeit, glückseligkeit, vollkommenheit, aufregung. alles ist auf einmal so nah, so echt, so packend.
wir sind am ziel.